Organisationsentwicklung
Zielorientiert, umsetzungsstark und innovativ – Organisation passend strukturieren
Die Digitalisierung eines Landkreises ist sowohl eine politische Gestaltungsaufgabe als auch eine komplexe Managementaufgabe. Für die erfolgreiche Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie braucht es geeignete Organisationsstrukturen und Instrumente. Doch was muss bei der Organisationsentwicklung primär bedacht werden? Hier finden Sie einen ersten Überblick und die Beantwortung folgender Fragen:
Warum braucht die Digitalisierung zugleich eine Organisationsentwicklung?
REFLEXION
Warum braucht die Digitalisierung zugleich eine Organisationsentwicklung?
Der Prozess der digitalen Transformation bindet alle relevanten Akteure mit ein: Beschäftigte in der Verwaltung (der Gemeinde, Stadt, des Landkreises) und Externe, wie zum Beispiel Bürger:innen und Wirtschaftsakteure. Dafür gilt es eine Handlungsstrategie zu entwickeln, die auf die individuellen Gegebenheiten zugeschnitten ist und von den Akteuren vor Ort auch umgesetzt werden kann. In einem Digitalisierungsprozess müssen organisatorische, technische, rechtliche, finanzielle und fördertechnische Fragestellungen parallel in den Blick genommen werden. Im Ergebnis ist die Digitalisierung eines Landkreises nicht zuletzt eine komplexe Managementaufgabe. Und die Antwort auf Komplexität ist stets: Organisation!
Als Startpunkt hilft eine kritische Reflexion der vorliegenden Organisationsstrukturen. Organisationsstrukturen sollten stets individuell entwickelt werden. Die Vision muss daher realistisch mit den Gegebenheiten abgeglichen werden, um letztlich eine machbare Entwicklung zu verfolgen. Hilfreich können dabei folgende Fragen sein:
MODELLE
Welche Organisationsmodelle gibt es?
Um die spezifischen Aufgaben und Anforderungen im Zuge der Digitalisierung zu erfüllen, wurden und werden bereits unterschiedliche Organisationsmodelle in verschiedenen Landkreisen erprobt. Die folgenden Modelle sind Idealtypen, in der Praxis kommen sie häufig als Mischformen vor. Verknüpfungen der Modelle und das Herausziehen einzelner Bestandteile sind für die praktische Umsetzung vorteilhaft! Mitgedacht werden sollte für geeignete Organisationsstrukturen, dass die Digitalisierung nicht nur in der Kernverwaltung, sondern im gesamten Landkreisökosystem vorangetrieben werden muss.
Bei der Verankerung der Digitalisierungsverantwortung in der klassischen Linienorganisation (d.h. der hierarchischen Ordnung der Behörde) werden häufig Aufgabenbereiche eines bestehenden Amtes oder Fachbereiches um weitere Digitalisierungsthemen erweitert. In der Praxis sind dies häufig die Bereiche IT/EDV, Organisation, Kreisentwicklung und/oder Wirtschaftsförderung. Alternativ wird ein neues Amt oder ein neuer Fachbereich geschaffen, in dem die Verantwortung für die digitale Transformation gebündelt wird.
Mit der Integration in die bestehende Linienorganisation werden klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geschaffen und die Fachkompetenzen mit digitalen Kompetenzen in Einklang gebracht. Die nach innen und außen klar definierten Zuständigkeiten ermöglichen einfache Kommunikations- und Entscheidungswege. Durch die Verankerung bspw. innerhalb eines Fachbereiches wird dem starken Zusammenhang zwischen Verwaltungsdigitalisierung und digitaler Daseinsvorsorge entsprochen. Allerdings werden durch eine Verankerung in der Linienorganisation gegebenenfalls die Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt. Zum einen kann die Einbindung externer Stakeholder erschwert werden. Zum anderen kann das Amt bzw. der Fachbereich gegenüber anderen Ämtern oder Fachbereichen nur beratend tätig werden und verfügt über keinerlei Weisungsbefugnis.
Eine Stabsstelle kann als spezialisierte Einheit die digitale Transformation in den Ämtern und Fachbereichen vorantreiben. Stabsstellen sind nicht in die klassische Hierarchie der Landkreisverwaltung eingebunden. Entscheidungen können so zentral in der Stabsstelle getroffen werden, um die Ämter- und Fachbereiche zu entlasten. Im Optimalfall werden Strategien, Konzepte und Ideen von der Stabsstelle in die gesamte Organisation getragen und dort sukzessiv operativ weiterentwickelt und umgesetzt.
Welchen Vorteil bietet eine Stabsstelle? Die Ansiedlung der Stabsstelle bei den Hauptverwaltungsbeamten führt zu einer hohen Wahrnehmung und Durchsetzungskraft innerhalb der Verwaltung. Die amts- bzw. fachbereichsübergreifende Kommunikation erhöht dabei die Akzeptanz. Die Unabhängigkeit von Ressortinteressen rückt die digitale Transformation in den Vordergrund, da bei der Erarbeitung strategischer und konzeptioneller Vorlagen (zunächst) nicht auf partikulare Interessen der Ämter und Fachbereiche geachtet werden muss. Die Stabsstelle kann als Impulsgeberin eines Kulturwandels auftreten, indem die Digitalisierung als Instrument zur Umsetzung weiterer Innovationen genutzt wird. Potenziell einschränkend verfügt eine Stabsstelle allerdings über keinen eigenen Verwaltungsunterbau und ist daher für die Umsetzung ihrer Konzepte auf die Unterstützung der Ämter und Fachbereiche angewiesen. Die Durchsetzungskraft ergibt sich aus der Autorität des Hauptverwaltungsbeamten.
Die Umsetzung in einer Projekt-Matrix-Organisation trägt dem Querschnittscharakter der digitalen Transformation Rechnung. Neben der klassisch-hierarchischen Linienorganisation wird dabei eine projektbezogene Matrixstruktur geschaffen, in der die Aufgaben Projektteams und nicht Stellen zugeordnet werden. Mit der kompetenzorientierten Zusammensetzung der Projektteams werden die bestehenden Silostrukturen aufgebrochen. Komplexe Fragestellungen können mit interdisziplinären Teams aus verschiedenen Ämtern und Fachbereichen bearbeitet werden. Bei Bedarf können Projektteams auch um weitere Akteure aus der Kreisgesellschaft ergänzt werden. Flache Hierarchien in den Projekten fördern zudem eine direkte Kommunikation ohne lange Abstimmungs- und Entscheidungszeiten. Auch der Einsatz agiler Projektmanagementmethoden, um entsprechend flexibler auf veränderte Anforderungen zu reagieren, ist in einer Projektstruktur besser möglich. Durch die Einbindung von Mitarbeitenden aus verschiedenen Ämtern- und Fachbereichen können schließlich Innovationen in der Verwaltung leichter breit gestreut werden. Das erhöht die Akzeptanz und Motivation bei den Beteiligten und schafft viele Multiplikatoren, die das digitale Mindset und ggf. den Einsatz agiler Methoden in ihren Fachbereichen tragen.
In der fachlichen und disziplinarischen Personalverantwortung, die zwischen Projektverantwortlichen und Linienverantwortlichen geteilt wird, liegen Risiken und Grenzen der Matrixorganisation. Es braucht ein professionelles Projektmanagement und eine klare Festlegung von Verantwortlichkeiten und Kapazitäten zwischen den Projektteams und den Funktionsbereichen.
Die Einrichtung einer Digitalagentur wird in der Regel für die Zusammenarbeit über die Grenzen der Landkreisverwaltung hinweg gewählt. Die Auslagerung in eine Digitalagentur ermöglicht eine hohe Sichtbarkeit für das Thema Digitalisierung. Aufgrund einer vergleichsweise hohen Autonomie können Themen schneller angepackt und Ideen fokussierter umgesetzt werden.
Dabei können die Aufgaben, Steuerungsmöglichkeiten und Freiheitsgrade von Digitalagenturen unterschiedlich ausgestaltet sein. So erlaubt beispielsweise die Rechtsform der GmbH über die Zusammensetzung der Gesellschafterkreise und der Kontrollgremien eine breite Repräsentation und Steuerungsmöglichkeit, während durch eine selbstständige Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zur Erfüllung definierter kommunaler Aufgaben aus der Kernverwaltung ein Mindestmaß an Flexibilität für eine Digitalagentur ermöglicht wird. Weitere Rechtsformen sind beispielsweise der Eigenbetrieb oder der eingetragene Verein.
Gerade bei einem Trendthema wie der Digitalisierung kann ein Image als wirtschaftliches Unternehmen und die Vergütung außerhalb des TVöD die Arbeitgeberattraktivität erhöhen und die Kooperation mit Tech-Unternehmen, Agenturen und Start-Ups erleichtern. Aufgrund eventuell fehlender Verbundenheit kann allerdings zugleich die Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kernverwaltung erschwert werden. Auch werden mit der Auslagerung der Kreisverwaltung und ggf. den kreisangehörigen Kommunen Digitalisierungskompetenzen durch die Auslagerung entzogen.
Einen Mittelweg stellt die Errichtung einer virtuellen Digitalagentur dar, bei der keine neue Institution geschaffen wird, sondern sich Kreis, Städte und Gemeinden rein virtuell zu einem gemeinsamen Geschäftsverbund zusammenschließen. Die Organisation der Digitalagentur baut dabei auf bestehenden Arbeitsstrukturen auf und umfasst somit alle Mitarbeitenden der Kreis- und Kommunalverwaltungen, die sich für das Thema Digitalisierung engagieren (Praxisbericht in Handreichung Veränderungsmanagement S. 39-40.
In Abstufungen sind Netzwerkstrukturen in Organisationen immer vorhanden, da die Menschen miteinander im Austausch stehen. Dieser Austausch kann durch formelle oder informelle Austauschformate gezielt unterstützt werden. Innerhalb dieser Austauschformate können sich Mitarbeitende aus einzelnen Ämtern bzw. Fachbereichen oder Dezernaten treffen, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen oder gemeinsame Vorhaben abzusprechen.
Netzwerkstrukturen fördern die amts- bzw. fachbereichsübergreifende Kommunikation und können dabei die Wahrnehmung und Akzeptanz von Themen wie der digitalen Transformation erhöhen. Auch der Wissenstransfer kann durch Netzwerkstrukturen unterstützt werden, wodurch die Personalentwicklung und die Zugänglichkeit zu Expertenwissen profitieren. Netzwerkstrukturen haben zudem den Vorteil, dass in einem Landkreisökosystem bei Bedarf alle relevanten Akteure und Stakeholder innerhalb und außerhalb der Kernverwaltung einbezogen werden können.
Formelle, gezielt eingesetzte Netzwerke brauchen, um zu funktionieren, ein gewisses Maß an Koordination. Auch das Aushandeln von verbindlichen Entscheidungen kann zuweilen ein langwieriger Prozess sein, da eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen aufeinandertreffen. Der Erfolg von Netzwerkstrukturen hängt daher auch von den verfügbaren Ressourcen ab, die die Mitarbeitenden zur Pflege der Netzwerkstrukturen aufwenden können.
KRITERIEN
Worin bettet sich das Organisationsmodell ein? Welche Kriterien sind beim Aufbau übergeordneter Strukturen relevant?
Die Eignung eines Organisationsmodells hängt immer auch von den jeweiligen Gegebenheiten im Landkreis und in der Landkreisverwaltung ab. Neben den Organisationsstrukturen haben zahlreiche weitere Faktoren eine Wirkung auf den Erfolg eines Organisationsmodells, beispielsweise Führungs- und Steuerungssysteme, vor allem aber auch weiche Faktoren wie die Organisations- und Zusammenarbeitskultur. Die folgenden acht Dimensionen geben ein Analyseraster an die Hand, das zur Bewertung optionaler Organisationsmodelle zum Einsatz kommen kann.
Die Aufbauorganisation legt Zuständigkeiten, Weisungsbefugnisse sowie Entscheidungswege fest. Zudem ermöglicht sie die Zuordnung von Aufgaben und Personalressourcen. Damit setzt sie den Rahmen für operative und strategische Steuerung der Organisation.
Eine nachhaltige digitale Transformation lebt von der Einbindung interner und externer Akteure, die die strategischen Ziele operativ unterstützen sowie Ideen, zusätzliche Ressourcen und Wissen einbringen.
Ein zentrales Kriterium in den Überlegungen für eine Organisationsstruktur ist auch der Grad an Freiheit und die daraus resultierende Selbstständigkeit, die den Verantwortlichen zugestanden werden. Je weiter die verantwortlichen Stellen außerhalb der gängigen Linienorganisation stehen, desto größer ist auch die Selbstständigkeit. Entsprechend ist zu bedenken, wie viel Gestaltungsspielraum und Verantwortung gewährt und im Gegenzug Einfluss und Kontrollmöglichkeit eingeschränkt werden sollen.
Die digitale Transformation stellt die Landkreise vor die Herausforderung, bewährte Prozesse und Abläufe zu hinterfragen, Risiken einzugehen und sich teilweise neu zu erfinden. Innovationen brauchen ein organisatorisches Umfeld, dass Gestaltungsspielräume bietet, in dem experimentiert werden kann und Fehler passieren dürfen.
Kompetenzaufbau und Wissenstransfer sind zwei zentrale Erfolgsfaktoren im digitalen Wandel. Organisationsformen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie externe Expertise eingebunden werden kann, formale Qualifizierungsformate etabliert werden können oder ein Wissensmanagement gefördert werden kann. Es empfiehlt sich, die Organisation so zu gestalten, dass der Aufbau von Kompetenzen und der Austausch von Wissen in der Breite gefördert wird.
Eine Entscheidung über eine zukünftige Aufbauorganisation erfolgt nicht am Reißbrett, sondern muss auch in Abwägung der mit der Umsetzung verbundenen Aufwände getroffen werden. Diese ergeben sich aus der Neuartigkeit der vorgeschlagenen Optionen, dem Umfang der Veränderung, ihren Folgeaufwänden sowie der Bereitschaft der Führungskräfte und Mitarbeitenden, die neuen Strukturen mitzutragen und mit Leben zu füllen.