Lernfabrik 4.0
Um seine Berufsschüler:innen auf ein Arbeitsumfeld in der Industrie 4.0 vorzubereiten, hat der Ortenaukreis zwei Berufsschulen mit sogenannten „Lernfabriken 4.0“ ausgestattet. Diese Lehranlagen gleichen hochmodernen industriellen Produktionsanlagen, an denen Schüler:innen den Umgang mit digitalen Arbeitsweisen und automatisierten Produktionsabläufen erlernen können.
Der Ortenaukreis treibt die Digitalisierung seiner beruflichen Ausbildung voran – und bereitet damit seine Nachwuchs-Fachkräfte auf digitale Arbeitswelten und automatisierte Produktionsstätten vor. Neben Berufsschulen stehen dabei Berufskollege, Technische Gymnasien sowie Techniker- und Meisterschulen im Fokus. Zunächst bedeutet das die Bereitstellung von digitalen Lerninhalten sowie die Umstellung auf Video-Unterricht. Schon hier macht die mangelnde Breitbandverbindung vielen Schulen zu schaffen – bereits ohne parallelen Fernunterricht mehrerer Klassen stoßen etwa Medienzentren schnell an Kapazitätsgrenzen. Dennoch sollen immer mehr Schulen im Kreis, zunächst in den Mittelzentren, zu sogenannten „Lernfabriken 4.0“ werden und die entsprechende Hardware und Software erhalten.
Lernfabriken 4.0 sind Lernorte, an denen die Digitalisierung der Wirtschaft bereits in der Aus- und Weiterbildung praktisch fassbar werden soll. Gemeint sind Übungsanlagen, die in Aufbau und Ausstattung hochmodernen automatisierten industriellen Anlagen aus verschiedenen Industriebranchen wie Metallbau und Elektrotechnik gleichen. Die Systeme umfassen mehrere übergeordnete Teilsysteme mit entsprechenden Schnittstellen zur Leitstelle sowie mobile Anwendungen, an denen die Schüler:innen gleichzeitig arbeiten können. Der Aufbau ist modular: je nach Bedarf (und Finanzmitteln) kann der Umfang einer Lernfabrik variiert werden.
Auszubildende oder Schüler:innen trainieren dabei Abläufe und Umgang mit Industrie-4.0-Hardware sowie -Software und lernen, vernetzte Abläufe selbst zu steuern. Der Grundgedanke geht jedoch weiter: Ein Schwerpunkt in der Konzeption der Anlagen wie auch der begleitenden Schulungsmaßnahmen liegt darauf, dass die Schüler:innen ein grundlegendes Verständnis für digitale Produktionsprozesse und digitales Arbeiten im industriellen Kontext entwickeln. Vermittelt werden auch die betriebswirtschaftlichen Grundlagen von Industrie-4.0-Anwendungen.
Die so ausgebildeten künftigen Facharbeiter:innen sollen später ihr praktisches Wissen über digitale Produktionsabläufe auch in ihren Betrieben weitergeben. Für die Kreisverwaltung ist das ein Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Wirtschaft. Die besser ausgebildeten Nachwuchs-Facharbeiter:innen würden insbesondere kleinen und mittelständischen Betrieben zu Gute kommen, so die Annahme.
Die erste solche Lernfabrik 4.0 wurde bereits 2017 an der Gewerblich-Technischen Schule des Ortenaukreises in der Kreisstadt Offenburg eingerichtet. Diese hat eine Leuchtturmfunktion: Sie ist gleichzeitig Demonstrationszentrum für die regionale Wirtschaft und ergänzt das Kompetenzzentrum Industrie 4.0 der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Eine zweite, etwas kleinere Lernfabrik 4.0 wurde 2019 in Lahr eröffnet. Neben den rund 720 Auszubildenden können hier weitere 480 Schüler:innen aus den Berufsfachschulen, Berufskollegs, dem Technischen Gymnasium und den Fachschulen die Ausstattung der Lernfabrik 4.0 nutzen.
Die Lernfabriken 4.0 sind ein Konzept des Bundeslandes Baden-Württemberg und können über Mittel des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau gefördert werden. So soll ein flächendeckendes Netz solcher Lernfabriken 4.0 entstehen. Derzeit sind es im Bundesland knapp 40 solcher Einrichtungen. Voraussetzung für eine Förderung ist jedoch, dass sich Unternehmen der regionalen Wirtschaft mit einem Umfang von insgesamt zehn Prozent der Kosten beteiligen. Förderfähig mit bis zu 50 Prozent der Kosten sind Investitionen in Geräte, sowie Fremdleistungen und Sachausgaben im Zusammenhang mit der Entwicklung von Schulungskonzepten für Lehrkräfte sowie die Organisation und Durchführung von Qualifizierungsangeboten.
In Lahr sind an den Gesamtkosten von 836.000 Euro das Land mit 384.000 Euro und 16 Unternehmen aus der Region sowie die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein mit 195.000 Euro an der Finanzierung beteiligt – am Ende fiel die Beteiligung der Wirtschaft damit sogar doppelt so hoch aus wie gefordert. Die restlichen Kosten in Höhe von 257.000 Euro trägt der Landkreis.
Im Falle der (kleineren) Lernfabrik 4.0 in Lahr fanden sich zum großen Ärger der Beteiligten keine Unternehmen, die sich finanziell beteiligen wollten, was eine Landesförderung unmöglich machte. So sprang dann der Landkreis als Schulträger ein und übernahm die gesamten Kosten von insgesamt 395.000 Euro.
Auf Seiten des Landes Baden-Württemberg wird sowohl das Konzept der Lernfabriken 4.0, wie auch das entsprechende Förderprogramm weiterentwickelt. So wurde der ursprüngliche Fokus auf industrielle Anwendungen inzwischen auf andere Branchen wie Handwerk und Handel ausgeweitet. Ein weiterer Schwerpunkt wird zukünftig auf KI-Anwendungen liegen. So sind im aktuellen Aufruf etwa Module förderfähig, an denen sich der Umgang mit Augmented Reality oder Digitalen Zwillingen erlernen lässt.
Informationen Landkreis
Ortenaukreis (Baden-Württemberg)
Fläche: 1.861 km²
Einwohner:innen: 432.580
232 Einwohner:innen je km²