Katastrophenschutz-WebApp
Der Landkreis Cham hat eine interaktive WebApp im GIS-Format für den Bereich des Katastrophenschutzes initiiert. Diese bietet diverse Darstellungsformen an und wird sowohl vom Landkreis und seinen 39 kreisangehörigen Kommunen und insbesondere von einer Vielzahl an Akteur:innen aus den Hilfsorganisationen (THW, Feuerwehren, Rettungsdienst etc.) genutzt. Das Angebot zeichnet sich durch eine benutzerfreundliche und ortsunabhängige Anwendbarkeit aus.
Bereits im Jahr 2006 wurden die ersten Pläne zu einer interaktiven GIS-Karte für und im Landkreis Cham initiiert. Ziel der ersten Karten war es, abzubilden, welche Gebiete im Landkreis für Hochwasserereignisse gefährdet sind. Über die Jahre hinweg wurden die Karten weiter ausgebaut, neue Funktionen eingefügt und mit umfassenden Datensätzen erweitert.
Mittlerweile sind bereits viele weitere Funktionen hinzugekommen, wie beispielsweise Zonen, Objekte sowie Wegbeschreibungen. Diese ermöglichen den Nutzenden ein umfassendes Angebot an interaktiven Kartendarstellungen. Hauptnutzende sind Hilfsorganisationen im Bereich des Katastrophenschutzes sowie des Rettungswesens (Technisches Hilfswerk, regionale Feuerwehren, Rettungsdienste). Aufgrund seiner nutzerfreundlichen Anwendung sowie des großen Erfahrungswertes, wurde der Landkreis Cham im Jahr 2021 in das Ahrtal gerufen, um dort im Rahmen der Flutkatastrophe Unterstützung zu leisten. Zur Berechnung von Datensätzen wird die Software ArcGIS verwendet. Diese visualisiert und analysiert die verfügbaren Datensätze der GIS-Karten. Durch die visuelle Darstellung von Daten und Anwendungen ist es möglich, Szenarien darzustellen und diese zu steuern. Die Software „ArcGIS“ wird vom Unternehmen ESRI bereitgestellt. Die Firma ESRI ist ein Softwarehersteller für Geoinformationssysteme mit Sitz in Redlands, Kalifornien. Neben der Software ArcGIS werden eine Vielzahl von Softwareprodukten im Bereich der Geoinformationssystemen durch ESRI bereitgestellt. Die Anwendungen werden anhand von ihren Funktionsumfängen differenziert. Dabei reicht die Bandbreite von Server- bis hin zu Desktop- oder App-Angeboten.
Aufgrund der Layering-Funktion der GIS-Karten können die Karten flexibel ein- und ausgeblendet werden. Aktuell können in den Karten u.a. Zuständigkeitsbereiche (Feuerwehrinspektionsbereiche, Kreisbrandmeisterbereiche, Feuerwehren), verfügbares Personal, Infrastrukturen, Unterstützungsdienste (Kreisbrandmeister, Feuerwehr, Gerätehäuser, Kliniken, Polizei, THW, Schutzräume), Ver- und Entsorgungsstellen, Straßennetze (Leitungen, Pumpstationen, Wasserversorgung, Hydranten, Bundes- & Kreisstraßen, Bahnnetze, etc.), Gewässerstraßen, Kartographie von Überschwemmungsgebieten inklusive Index-Gitter sowie Daten aus den Bereichen der Liegenschaften, Adressen, Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohnern, Wanderwege, Radwege, verfügbare Pisten, Schutzgebiete, Frostkarten, Jagdkarten und Netze des öffentlichen Personennahverkehrs angezeigt werden.
Ein bedeutender Vorteil der Anwendung ist die Möglichkeit, umfassende und vielfältige Datensätze einzupflegen und bedarfsorientiert abzubilden. Die Software von ArcGIS ist bereits erprobt und bietet daher ein umfassendes Portfolio an Darstellungen und Anpassungsmöglichkeiten. Durch die Zusammenarbeit mit vielfältigen Akteur:innen und den Fachbereichen in der Kreisverwaltung sowie der 39 kreisangehörigen Gemeinden, lassen sich umfassende Daten sammeln und nutzen. Dies bietet insbesondere in Krisen den Vorteil, dass die Hilfskräfte schnell und dezentral zusammenarbeiten können. Auch in der überregionalen Zusammenarbeit ist eine Verknüpfung der Daten möglich. Somit können andere Landkreise von den Erfahrungen profitieren und mithilfe eines Teamviewers zusammenarbeiten. Dies ermöglicht den Einsatzkräften, gemeinsame oder getrennte Lagekarte darzustellen und zu nutzen. Zudem werden die Karten online und somit ortsunabhängig angezeigt und können beispielsweise vor Ort im Krisengebiet abgerufen werden. Gespeicherte Karten werden zudem offline bereitgestellt.
Relevant für die Anwendung ist die Verfügbarkeit von umfassenden Datensätzen. Hierbei sind jedoch Bestimmungen zur Verwendung der Daten zu beachten. Ausgewählte Datensätze sind hierbei lediglich für die interne Verwendung gedacht, was die Anwendungsmöglichkeiten für die Nutzung in der breiten Öffentlichkeit reduziert.
In der Zusammenarbeit mit externen Akteur:innen sollte zudem beachtet werden, dass einheitliche Kartenanwendungen genutzt werden. Werden zwei oder mehr Systeme genutzt, ist dies grundsätzlich parallel möglich, jedoch können in diesem Fall Daten- und Informationsverluste entstehen. Im Ernstfall können hohe Zeitverluste in der Rettungskette entstehen. Ebenfalls zu beachten sind Fragen im Bereich der Lizenzverfügbarkeiten, beispielsweise für die Verwendung von Live-Funktionen für GPS-Tracking. Dies umfasst Verfügbarkeiten sowie anfallende Kosten beim Erwerb der Lizenzkosten für die verwendete Software.
Zudem bestehen zwischen dem Bayerischen Innenministerium, der Bayerischen Vermessungsverwaltung sowie zwischen den Bayerischen Landkreisen bzw. Gemeinden und der Bayerischen Vermessungsverwaltung Vereinbarungen zur Bereitstellung der WebApp. Davon partizipieren auch die Katastrophenschutzbehörden.
Da der Landkreis Cham über eine uneingeschränkte Lizenz verfügt, kann dieser alle Funktionen nutzen und anbieten. Insbesondere zur kreisinternen Verwendung kann das Nutzungsangebot der Software getestet und Szenarien vorab erprobt und getestet werden. Der Landkreis betreibt und pflegt in eigenständiger Aufgabe die Software und stellt diese den kreisangehörigen Gemeinden sowie den externen Akteur:innen inkl. der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Somit bietet der Landkreis zwei WebApps an. Zum einen für die interne Kreisverwaltung. Diese umfasst erweiterte Datenbestände, welche jedoch aus Gründen des Datenschutzes und Gründen der Informationssicherheit physisch bewusst nicht im Internet angesiedelt werden dürfen. Diese Anwendung ist komplexer aufbereitet. Die zweite Variante der WebApp ist dafür vorgesehen, den vielfältigen, auch ehrenamtlichen Einsatzkräften und Akteur:innen, ad hoc auf jedem Endgerät zur Verfügung zu stehen. Dort werden jedoch eingeschränkte Inhalte angeboten, welche datenschutzrechtlich und informationssicherheitstechnisch unbedenklich sind.
Die Datenbasis für die breite Öffentlichkeit wird in einer kreiseigenen Cloud abgelegt. Der gesamte Datensatz befindet sich zudem auf kreiseigenen Servern. Der Landkreis Cham profitiert durch einen Rahmenvertrag mit der bayrischen Vermessungsverwaltung, denn diese stellt dem Landkreis vollumfängliche Datensätze bereit. Die Finanzierung erfolgt anteilig über den Landkreis Cham sowie der 39 kreisangehörigen Gemeinden und Akteur:innen aus dem Katastrophenschutz und Rettungswesen (50 Prozent- Regelung).
Relevant ist in jeden Fall, dass stetig neue und umfassendere Datensätze genutzt werden können. Im Bereich der Waldbrandprävention wird bereits verfügbares Kartenmaterial aufbereitet. Die Aufnahme von Bereitstellungsplätzen hilft im Ernstfall, diese zu lokalisieren. Zudem soll die Angabe von Daten zu Hochwasserrisikogebieten, inklusive der Abbildung von Linien, Höhen und Übersichten der betroffenen Regionen und Personen, die Funktionalität der Anwendung erleichtern. Des Weiteren ist geplant, die Karten durch Black-out- und Notrufmeldestellen auszustatten.
Insgesamt ist aufgrund der stetigen Weiterentwicklung von Software und Datenmaterial sowie der sich ändernden Umweltsituationen ein hohes Entwicklungspotential für die Gestaltung der WebApp vorhanden.
Mit Blick in die Zukunft verfolgt der Landkreis Cham folgende Umsetzungen: Zum einen ist geplant, Daten zur Berechnung der Schadstoffausbreitungen aufzunehmen. Hierzu werden jedoch noch umfassende Daten- und Berechnungssätze benötigt. Zudem besteht der Wunsch nach einer stärkeren Nutzung von künstlicher Intelligenz, beispielsweise im Bereich der Anwendung von intelligenter Bilderkennung. Diese Option ist bisher noch nicht vollumfänglich entwickelt, da aktuell noch Funktionseinschränkungen vorhanden sind.
Zur Anwendung der Software sollten folgende Voraussetzungen vorliegen:
Zunächst wird in jedem Fall eine Lizenz für eine GIS-Software vorausgesetzt. Relevant ist hierbei die Finanzierung der Lizenz, da diese differenzierte Möglichkeiten in der Nutzungsfreiheit anbieten. Sofern möglich, wird empfohlen, eine Volllizenz zu wählen. Fördermöglichkeiten sollten geprüft werden, zum Beispiel die Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung. Um ein umfassendes Angebot bereitstellen zu können, sind Datensätze notwendig, welche die gewünschten Funktionen ermöglichen. Relevant sind hier die konkreten Anwendungsfälle für das Web- Portal. Zu klären sind folgende Fragstellungen: Welche Daten sollen abgebildet werden? Welche Datensätze können für den internen oder externen Gebrauch aufbereitet werden? Welche Beschränkungen in der Bereitstellung von relevanten Daten sind vorhanden? Wie werden die Daten bereitgestellt und gespeichert, gepflegt? Insbesondere bei einer eigenständigen Bereitstellung der Software im Landkreis, werden leistungsstarke Rechner benötigt, die über ausreichend grafische Leistung zur Abbildung und Steuerung verfügen. Zudem sollten umfassende personelle Ressourcen für die Anwendung und Pflege der WebApp bedacht werden. Im Landkreis Cham betreuen derzeit fünf Mitarbeitende das Projekt, angesiedelt im Referat für Organisation, IuK und GIS. Alle fünf Wochen finden Absprachen mit den externen Nutzenden statt.
Link zur Webseite: www.landkreis-cham.de
Informationen Landkreis
Landkreis Cham (Bayern)
Fläche: 1.520 km²
Einwohner:innen: 128.444
84 Einwohner:innen je km²
Stand des Projekts: abgeschlossen