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Verwaltung 4.0 – digitale Verwaltungsprozesse für Kommunen

Im Projekt „Verwaltung 4.0“ setzt das Amt Mittelangeln gemeinsam mit dem IT-Verbund Schleswig-Holstein (ITV.SH) auf die konsequente Überarbeitung und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen mittels einer Low-Code-Plattform. Die Zielsetzung besteht darin, als Verwaltung im Dienst der Bürger:innen und Unternehmen eine noch effizientere Dienstleistung anzubieten. Was digital bei der Kommune als Antrag ankommt, soll intern ebenfalls digital weiterverarbeitet werden und nicht an der „Bordsteinkante“ zur Verwaltung verpuffen.

Die Modernisierung der Verwaltung erfordert nachhaltige Anpassungen von Prozessen und Strukturen. Das Amt Mittelangeln hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Standardisierung in die IT zu bringen und die Prozessdigitalisierung voranzutreiben. Konkret sollen bestehende Insellösungen, zu denen unter anderem zahlreiche Excel-Tabellen gehören, durch neue Anwendungen ersetzt werden. Auch die Ende-zu-Ende-Digitalisierung, sprich die digitale und medienbruchfreie Erfassung und Bearbeitung von Anträgen, soll stärker forciert werden.

Das zentrale Anliegen des Gesamtprojekts ist es, eine Low-Code-Plattform zur Optimierung und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen bereitzustellen, die von beliebig vielen Verwaltungen in Deutschland mühelos genutzt werden kann.

Wichtige Zielsetzungen des Projekts sind:

  • Effektivierung und Beschleunigung von Verwaltungsprozessen
  • Web-basierter Systemzugriff für die Kommunalverwaltungen
  • Sicherstellung einer sehr hohen Bedienfreundlichkeit
  • Umsetzung eines Mandantenkonzepts mit einer separaten Datenhaltung für die einzelnen Kommunen innerhalb einer Softwareinstanz
  • Integration der Dokumenten-Management-Systeme (DMS) und der Software für das Haushalts-Kasse-Rechnungswesen (HKR) der Kommunalverwaltungen
  • Medienbruchfreie Ende-zu-Ende Digitalisierung der Prozesse der Kommunalverwaltungen
  • Zeit- und Kostenersparnisse durch Replizierbarkeit (Nachnutzung) von Prozessen
  • Harmonisierung der Daten- und Prozessstandards der Kommunalverwaltungen zur Erleichterung der amtsübergreifenden Zusammenarbeit und zur Stärkung der Krisenfestigkeit
  • Integration von Online-Services für Bürger:innen und Unternehmen
  • Moderne, zukunftsfähige und hochperformante Systemarchitektur
  • Umsetzung der Anforderungen der Informationssicherheit und des Datenschutzes
  • Niedrigschwelliger Umstieg auf das Neusystem für die Kommunalverwaltungen

Insbesondere Low-Code-Plattformen bringen einen umfassenden Werkzeugkasten mit: Sie bieten oft verwendete Programmiermuster als einsatzfertige Bausteine an. Diese sind als vordefinierte Funktionsblöcke zu verstehen, die im Einsatzbereich der öffentlichen Hand behördliche Kernfunktionen als Komponenten oder Prozessschablonen abbilden können. Beispiele für solche Funktionsblöcke sind u.a. Bausteine für die Anbindung diverser Fachverfahren, ein Arbeitsplatz für die Sachbearbeitung oder Funktionalitäten für Prozessmanagement und -automatisierung sowie Workflow-Management. Durch die Kombination, und bei Bedarf Erweiterung der Bausteine, werden die gewünschten Funktionalitäten erzielt sowie Fachanwendungen und -verfahren generiert.

Durch ihren modularen und integrierbaren Ansatz erreichen Low-Code-Plattformen eine hohe Flexibilität. Sie erweitern dadurch den Handlungsspielraum öffentlicher Stellen erheblich, gerade auch im Vergleich zu Individualentwicklungen. Behörden müssen die Voraussetzungen zur Bereitstellung konkreter Fachverfahren und -anwendungen nicht mehr einzeln beauftragen und bereitstellen (lassen), sondern können mit der einmaligen Beschaffung und dem Aufbau einer Plattformlösung sowohl die Entwicklung von Fachverfahren und -anwendungen durch externe Dienstleister beschleunigen als auch mit entsprechenden Schulungen Mitarbeitende von der Fachseite dazu befähigen, selbst bzw. bei Bedarf mit geringer Programmierunterstützung Lösungen umzusetzen und anzupassen. Dies erhöht die Responsivität und Geschwindigkeit der Umsetzung, eröffnet die Möglichkeit der Wiederverwendbarkeit bereits entwickelter Bausteine und schafft zusätzlich die Voraussetzungen, die Abhängigkeit von stark nachgefragten IT-Fachkräften zu verringern.

Im Rahmen des Modellvorhabens wurde eine Prozessdigitalisierungsplattform an die Anforderungen von öffentlichen Verwaltungen angepasst. Die genutzte Low-Code-Plattform ist eine erweiterbare Prozessausführungsplattform (BPMS) für die Abwicklung individueller Prozesse vom Antrag bis zur Bescheiderstellung. Mithilfe eines flexiblen Baukastensystems können Fachanwendungen rasch und einfach erstellt und an die verwaltungsspezifischen Anforderungen angepasst werden. Dies umfasst typische Antragsprozesse von Bürger:innen und Unternehmen ebenso wie interne Verwaltungsabläufe.

Folgende Funktionalitäten können derzeit zur Verfügung gestellt werden:

  • Anträge über diverse Eingangskanäle (OZG-Cloud, Onlinedienste, E-Mail, Post/Fax, persönliche Vorsprache, Telefon)
  • Automatisierte Gebührenermittlung und Gebührenbescheiderstellung
  • Automatisierte Sollstellung und Anordnungen zum Finanzsystem
  • Automatisierte Bescheiderstellung und Zustellung an die Antragsteller:in über verschiedene Ausgangskanäle (insbesondere OSI-Postfach, E-Post, Ausdruck)
  • Automatische Terminüberwachung, Wiedervorlage und Zustellung des Workflows zur Sachbearbeiter:in entsprechend der jeweiligen Organisation
  • Integration der E-Akte und automatisierte Archivierung im Dokumentenmanagementsystem
  • Anbindung an Fachverfahren zur weiteren Sachbearbeitung
  • Individuelle kommunenspezifische Konfiguration und Design
  • Mandanten- und Mehrbenutzerfähigkeit
  • Als Low-Code-Plattform ist einfache daten- und prozessorientierte Modellierung möglich
  • Standardisierung durch gemeinsame, freie und sofort nutzbare Prozessbibliothek für alle Kommunen
  • Bereitstellung als Software-as-a-Service (SaaS)

Im Rahmen des Modellvorhabens wurde eine Standardsoftware, die Prozessdigitalisierungsplattform der Allisa Software GmbH aus Norderstedt, angepasst und für das Amt Mittelangeln zur Verfügung gestellt. Grundlage ist die international patentierte SONAL-Technologie von Allisa, die sämtliche Abläufe mit Hilfe von Status, Statusregeln, Aktionen und Aktionsregeln beschreibt.

Die genutzte Low-Code-Plattform wird als Software-as-a-Service (SaaS) bereitgestellt. Alle Schnittstellenkonnektoren, entwickelten Prozesse und Fachverfahren, Dokumententemplates und Textbausteine stehen als kostenlose Open-Source-Angebote allen Nutzer:innen.

Zielgruppe der Prozessplattform sind Kommunalverwaltungen in Deutschland, die sich anhand von Merkmalen wie Digitalisierungs-Know-how, Erfahrung und Verwaltungsgröße unterscheiden. Damit einher gehen unterschiedliche Software-Anforderungen. So bevorzugen zum Beispiel kleinere Amtsverwaltungen vorgefertigte Prozesse, da sie begrenzte IT-Kompetenzen und Ressourcen haben.

Über alledem steht das Hauptziel, Dienstleistungen für Bürger:innen sowie Unternehmen zu verbessern und die Sachbearbeiter:innen zu entlasten.

Die Prozessdigitalisierungsplattform wurde im Rahmen des Modellvorhabens umfassend evaluiert. Dabei lag ein besonderer Fokus auf der User Experience (UX) und dem User Interface (UI), wobei externe Firma beauftragt wurde, diese Evaluierung durchzuführen.

In diesem Zuge wurde eine gründliche Bewertung des Umsetzungsfortschritts vorgenommen, um sicherzustellen, dass die technische Lösung den gesteckten Zielen entspricht. Wichtig war dabei die Identifikation von Pain Points entlang der User Journey, um potenzielle Schwachstellen zu erkennen und zu verbessern. Um die Nutzer:innenperspektive besser zu verstehen, wurden User Interviews und Usability Tests durchgeführt, um Feedback zur Anwendbarkeit und Benutzer:innenfreundlichkeit zu erhalten.

Darauf aufbauend wurden Empfehlungen zur Optimierung formuliert. Anknüpfend an KERN Design System, ein UX-Standard für die deutsche Verwaltung, wurden Screendesigns entwickelt, um eine klare und intuitive Benutzer:innenoberfläche zu gewährleisten. Außerdem wurde ein umfassender Styleguide entwickelt, der dem Entwicklerteam für eine konsistente Umsetzung zur Verfügung gestellt wurde. Das darauf fußende Redesign der Plattform wurde im September 2023 fertigstellt. Die durchgeführte Evaluierung und die anschließenden Anpassungen trugen damit maßgeblich zur Verbesserung der User Experience und des User Interfaces der Prozessdigitalisierungsplattform bei. Es wurde sichergestellt, dass die technische Lösung optimal auf die Bedürfnisse der Nutzer:innen abgestimmt ist.

Die Nutzung der Plattform erfordert eine Lizenz der Allisa Software GmbH.

Die im Rahmen des Projekts entwickelten Fachverfahren und Weiterentwicklungen können kostenfrei durch andere Kommunen nachgenutzt werden.

Fachverfahren wurden für folgende Verwaltungsleistungen entwickelt:

  • Plakatierung innerhalb von Ortsdurchfahrten
  • Negativzeugnis über gemeindliches Vorkaufsrecht
  • Gaststättenbetrieb: Erteilung vorübergehender Gestattung
  • Aufgrabegenehmigung
  • Verkehrsrechtliche Anordnung

Von Anfang an wurden alle digitalisierten Prozesse so gestaltet, dass sie nahtlos von anderen Kommunen genutzt werden können. Es handelt sich durchweg um Prozesse, für die insbesondere in kleineren und mittleren Kommunen keine vergleichbaren Softwarelösungen existieren.