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Televersorgung

Wie kann dauerhaft eine gute medizinisch-pflegerische Versorgung vor Ort aufrechterhalten werden, auch dann, wenn die Menschen immer älter und die Fachkräfte immer weniger werden? Eine Antwort darauf liefert das Televersorgungskonzept, das im Landkreis Vechta entwickelt wurde. Das Konzept befasst sich mit der Vernetzung der verschiedenen Akteure der Gesundheitsbranche (beispielsweise Pflegeheime, Ärzte, Physiotherapeuten, Krankenhäuser, gesundheitliche Beratungsstellen, Patienten, pflegende Angehörige) über digitale Lösungen. So kann Hilfe ortsungebunden erfolgen, Arbeitskräfte werden entlastet und Zeit und Wege eingespart.

Der demografische Wandel resultiert in einer Zunahme der Nachfrage nach hausärztlicher sowie nach pflegerischer Versorgung. Die aktuellen Entwicklungen bei den Ärzten (u.a. weniger Ärzte auf dem Land, weniger Praxen, mehr Teilzeitbeschäftigung) und in der Pflegebranche (u.a. zu wenig Nachwuchs, verfrühter Ausstieg aus dem Beruf) führen dazu, dass dieser Bedarf nicht langfristig gedeckt werden kann, ohne dass es Anpassungen gibt. Daher wurde das Prinzip der Telepflegeversorgung im Landkreis als eine solche Anpassungsmaßnahme erprobt. Im Projekt TELAV (Televersorgung im Landkreis Vechta) wurden dazu mit Praxispartnern aus der Pflege- und Gesundheitsbranche (drei Pflegeeinrichtungen, zwei Krankenhäuser) bedarfsgerechte Szenarien der Televersorgung entwickelt, erprobt und evaluiert. Die Ergebnisse wurden in einem Televersorgungskonzept zusammengefasst.

Im Projekt TELAV wurden im ersten Schritt Erfahrungswerte und Erwartungen der Beteiligten zu den Stichworten „Telemedizin“, „Telepflege“ und „Televersorgung“ erhoben. Anschließend wurden im Rahmen von Gruppen- und Einzelworkshops die bedarfsgerechten Anwendungsszenarien der Televersorgung entwickelt. Dabei standen folgende Fragen im Zentrum:

  • Welche Austausch- und Arbeitsbeziehungen zu Patienten oder anderen professionellen Akteuren existieren?
  • Welche Hürden / Schwierigkeiten lassen sich dabei identifizieren?
  • Wie können digitale Lösungen dabei helfen, diese Austausch- und Arbeitsprozesse zu modifizieren und dabei zu verbessern?

Die Anwendungsszenarien wurden anschließend konzipiert, erprobt und evaluiert. Die Ergebnisse flossen in einen übergeordneten Handlungsleitfaden (das Televersorgungskonzept) zurück.

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist die Nutzung von Videotools dem Großteil der Menschen geläufig: Videosprechstunden bei Ärzten, digitale Konferenzen statt Präsenztagungen, Online-Unterricht, Videotelefonate statt Besuche in Pflegeheimen waren während der Lockdowns an der Tagesordnung. Diese digitale Kompetenz und Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite, der Mitarbeitenden der Gesundheitsbranche auf der anderen Seite macht sich das Projekt TELAV zunutze. Gleichzeitig bezieht es sich aber nicht nur auf solche weithin bekannten digitalen Angebote, sondern insbesondere auch auf den digitalen Austausch der verschiedenen professionellen Kräfte innerhalb der Gesundheitsbranche.

Im Fokus stehen dabei veränderte Kommunikations- und Arbeitsprozesse durch den Einsatz digitaler Lösungen. Im Laufe des Projektes zeigte sich, dass bei den beteiligten Organisationen in der Regel zwar die Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung weit verbreitet war, letztlich aber begrenzte zeitliche Ressourcen, fehlende rechtliche Voraussetzungen, eine mangelhafte digitale Ausstattung (beispielsweise die flächendeckende Versorgung mit W-Lan innerhalb eines Pflegeheims), aber auch fehlendes digitales Know-how bei Mitarbeitenden Herausforderungen bei der Umsetzung waren. Letztlich wurden fünf Szenarien entwickelt, erprobt und evaluiert, darunter beispielsweise:

  • „Online-Unterstützung für Eltern nach der Geburt“: Eltern, die nach der Geburt keine Hebamme haben, erhalten Unterstützung durch eine Online-Sprechstunde mit Säuglingsschwestern und umfassende, mehrsprachige digitale Informationen.
  • Online-Demenzberatung und Online-Pflegeberatung: Ratsuchende bekommen nun schneller Termine und sparen sich ebenso wie die Ratgebende Wege. Eine Beratung ist auch ortsunabhängig möglich, so dass der Wohnort der Angehörigen keine Rolle mehr spielt.
  • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der stationären Pflege und lokalen Ärzten und Therapeuten mittels digitaler Hausbesuche und einer gemeinsamen Dokumentation: Darüber wurde die Zusammenarbeit und Kommunikation sicherer und zuverlässiger und unnötige Fahrtwege wurden eingespart.

Bei allen erprobten Szenarien wird der menschliche Kontakt nicht ersetzt, sondern ergänzt bzw. in den digitalen Raum verschoben. Zugleich wurden Informationen und Dienstleistungen niedrigschwelliger zur Verfügung gestellt und vermittelt.

Die digitalen Angebote haben mehrere Vorteile:

  • Ressourcen sparen: Da Autofahrten entfallen, werden monetäre, ökologische und zeitliche Ressourcen der Beteiligten eingespart.
  • Ressourcen optimieren: Freigewordene Zeitressourcen können zur Versorgung weiterer Patient: innen genutzt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels kann so die Versorgungssituation verbessert werden.
  • Mobilität der Versorgung steigern: Gerade im ländlichen Raum können ältere, pflegebedürftige oder zeitlich stark eingeschränkte Menschen so Angebote der Gesundheitsversorgung wahrnehmen, für die sie sonst keine Zeit oder keine Mobilitätsressourcen (z.B. fehlender Nahverkehr/KFZ) zur Verfügung hätten.
  • Informationsdefizite mindern: Informationen werden an einem zentralen Ort, in Echtzeit und digital verarbeitet, sodass die Gefahr von Kommunikationsproblemen reduziert werden kann.

Als Zielgruppen können alle Akteure gelten, die in der Gesundheitswirtschaft aktiv sind. Das sind Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten oder Patienten. Bei der Televersorgung geht es stets darum zu schauen, wie diese Gruppen untereinander besser vernetzt werden können, wie ihre Angebote auch über die Distanz eingesetzt und Informationen einfacher geteilt werden können. Im Rahmen des Projektes fand der erste Austausch mit den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf Ebene der Geschäftsführung statt. Für die erfolgreiche Umsetzung war dann aber die Einbeziehung der Pflegedirektionen bzw. Pflegedienstleitungen besonders wichtig. Auf Seiten der Therapeuten und Ärzte bieten sich direkte Gespräche an. Für den Umsetzungserfolg war es zudem entscheidend, jeweils ein „Tandem“ (bspw. ein Pflegedienst und ein Hausarzt) aus Interessierten zu finden, die ein Szenario umsetzen, um die beiderseitige Motivation zu nutzen.

Aus den Projekterfahrungen lässt sich ableiten, dass die einzelnen Institutionen insbesondere in der Pflegebranche aktuell bereits unter einem solchen zeitlichen und personellen Druck stehen, dass es kleinen und mittelständischen Einrichtungen nicht allein gelingt, die Schritte zu einer Televersorgung zu verwirklichen. Ein Landkreis oder eine Gesundheitsregion sollte sich daher bewusst sein, dass diesbezüglich Unterstützung benötigt wird. Dies kann durch eigenes Personal geschehen oder es wird ein externer Partner (wie im Projekt) beauftragt. Die verantwortlichen Personen können dann durch Beratung (u.a. zu Potenzialen und Möglichkeiten der Televersorgung) und Begleitung (u.a. in der Implementations- und Erprobungsphase) dabei helfen, das Prinzip zu entwickeln und umzusetzen.

Die Projekterfahrung hat gezeigt, dass vorhandene Softwarelösungen am Markt existieren und mit überschaubaren Kosten der Implementierung oder Anpassung verbunden sind. Aufwendig ist vielmehr die Unterstützung der Akteure bei der Entwicklung und Umsetzung eines televersorgerischen Angebotes. Dazu bedarf es personeller Ressourcen, die selbst gestellt oder bspw. im Rahmen von Förderungen hinzugeholt werden müssen.

Die Projektergebnisse sind in einem Televersorgungskonzept gebündelt. Dieses steht auf der Webseite zum kostenlosen Download zur Verfügung. Auf der Seite finden sich zudem weitere Anregungen und Reflexionsfragen und ein Video, welches die Umsetzung des Projektes TELAV näher erläutert.

Informationen Landkreis

Landkreis Vechta (Niedersachsen)
Fläche: 813 km²
Einwohner:innen: 141.598
174 Einwohner:innen je km²